Krieg gegen Griechenland

17. März 2015

Redebeitrag zur Kundgebung „Solidarität mit den GriechInnen“
am 14. März 2015

In den deutschen Medien wird verbal aufgerüstet, die neue griechische Regierung wird mit den übelsten Schimpfworten diffamiert, der Ton zunehmend aggressiver. Den griechischen Politikern wird jeder Respekt verweigert, sie werden Chaostruppe, Halbstarke, Polit-Ganoven genannt, die man „nicht ernst nehmen kann“ und es nun auch noch wagen „den Hammer auszupacken“, weil sie nun endlich die immer noch ausstehende Rückzahlung der Zwangsanleihen und Reparationszahlungen aus der Zeit der deutschen faschistischen Besatzung realisieren wollen. Solche „Dreistigkeit“ muss bestraft werden, die Syriza-Regierung soll kuschen und akzeptieren, wer in Europa das Sagen hat.

Worum geht es?
Die griechische Regierung hat vor einigen Tagen einen parlamentarischen Ausschuss zur Einforderung der Verpflichtungen Deutschlands gegenüber Griechenland eingesetzt.
Erinnern wir uns: In der Zeit während der deutschen Besatzung wurden
130 000 griechische Partisanen und Zivilisten ermordet, 70 000 Juden in KZs verschleppt, Hunderttausende Griechen verhungerten und erfroren, weil die Wehrmacht das Land systematisch ausgeplündert hatte, die griechische Industrie und Wirtschaft lag zerstört am Boden.
1942 musste die griechische Zentralbank der deutschen Besatzungsmacht einen zinslosen Zwangskredit in Höhe von 568 Mill.Reichsmark gewähren, der mit der Verpflichtung zur Rückzahlung abgeschlossen wurde. Mit diesem Zwangskredit musste Griechenland die Kosten seiner eigenen Besatzung bezahlen.
Deutschland verweigert bis heute die Rückzahlung und eine Entschädigung für die Verbrechen der Nazis.

Die Bundesregierung, die in Europa und der Welt immer mehr Verantwortung will – vor allem wenn es darum geht globale Machtansprüche auch militärisch durchzusetzen – ist nicht bereit ihre historische und moralische Verantwortung zu übernehmen und lehnt jegliche Verhandlungen über Reparationen und Rückzahlung der Zwangskredite vehement ab.
Begründet wird dies damit, dass die Bundesrepublik 1960 im Rahmen eines Wiedergutmachungsabkommens einen allenfalls symbolischen Betrag von
115 Mill. DM an Griechenland gezahlt hat. Diese Mittel waren jedoch ausschließlich für „politisch und rassisch Verfolgte“ vorbehalten. Die ermordeten Partisanen, die Opfer von Massakern erhielten nichts, Massaker gelten nicht als „NS-typisches Unrecht“ und haben deshalb keinen Entschädigungsanspruch.

Die Londoner Schuldenkonferenz von 1952, auf die deutsche Regierungen immer gerne verweisen, hat keineswegs Deutschland die Kriegsschulden erlassen, sondern die Regelung bis zum Abschluss eines völkerrechtlich wirksamen Friedensvertrages verschoben. Auch mit dem 2+4 Vertrag von 1990, der zwischen Deutschland und den Alliierten geschlossen wurde (und nicht mit Griechenland!), sind die Reparationsforderungen nicht erledigt.

Die Bundesregierung erklärt die Rückzahlung des Zwangskredits einseitig als erledigt, sie falle unter die 1960 gezahlten mickrigen Reparationen. Aber auch für dieses Darlehen gilt wie für jedes andere: es muss wie im Vertrag vereinbart zurückgezahlt werden.

Hier wird die ganze Verlogenheit und Arroganz der deutschen Politik deutlich – während Deutschland gegenüber Griechenland unerbittlich Druck macht und auf die Rückzahlung von Schulden besteht, weigert es sich selbst seine Rückzahlungspflicht anzuerkennen. In einem vertraulichen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom vergangenen Jahr werden Zweifel an der Position der Bundesregierung begründet. Die Ablehnung der Verhandlungen über Entschädigungszahlungen ist somit keine juristische Frage sondern eine politische. Es ist das Recht Griechenlands diese Verhandlungen einzufordern. Auf die Höhe der ausstehenden Gelder gehe ich jetzt nicht ein, das muss Inhalt der Verhandlungen sein.
Aber der Grundsatz gilt: Was die Nazis geraubt haben, darf die Bundesrepublik nicht einfach behalten.
Genau das soll vermieden werden und deshalb sollen auch die Griechen in die Schranken gewiesen werden. Außenminister Steinmeier hat vor kurzem erklärt, dass man der Forderung der Griechen nicht nachgeben wird, weil sich sonst eine unübersehbare Flut von weiteren Ansprüchen anschließen würde. Die Forderungen der Griechen könnten andere Völker daran erinnern, dass die deutschen Schulden 1952 nicht aufgehoben, sondern nur gestundet wurden. Es gibt noch viele Orte in Europa, deren Bewohner bisher keine eine Entschädigung für die Verbrechen der deutschen Wehrmacht und der SS an Partisanen und Zivilisten bekommen haben. Die griechischen Politiker, die es wagen an diese offene Rechnungen zu erinnern werden auch deshalb von der deutschen Regierung bekämpft.

Für uns deutsche Antifaschistinnen und Antifaschisten ist es heute, 70 Jahre nach dem Ende des 2.Weltkriegs politische, historische und moralische Pflicht an die Opfer der Nazi-Besatzung zu erinnern und Entschädigung für die faschistischen Verbrechen zu fordern. Diese können damit sicher nicht wiedergutgemacht werden, aber es geht auch darum, das ungeheure Leid der Opfer anzuerkennen.

Alexis Tsipras sagte anläßlich der Einsetzung des Untersuchungsausschusses: „Dieses Unrecht liegt noch nicht allzu lange zurück. . . Im kollektiven Gedächtnis unseres Landes sind die Erinnerungen, die Bilder und Schreie der Misshandlungen und der Exekutionen in Distimo und Kaisariani, in Kalavryta und in Vianno frisch und lebendig. Ebenso wie die Verbrechen und die Zerstörung, welche die Wehrmacht in Griechenland und überall in Europa angerichtet hat. Diese Erinnerungen müssen an die nächste Generation weitergegeben werden… Und zwar nicht, um Misstrauen und Hass zwischen unsern Völkern zu schüren, sondern um sich immer vor Augen zu halten, wie das Gesicht des Nationalsozialismus, wie das Gesicht des Faschismus aussieht. Damit wir uns jederzeit vor Augen halten, dass anstelle von Überlegenheitswahn und der Selbstwahrnehmung als auserkorener Schicksalsgemeinschaft die Beziehungen der Völker zueinander von Solidarität, Freundschaft, Zusammenarbeit und Dialog geprägt sein sollen.“

Heute ist es unsere Aufgabe hier in Deutschland den Merkel, Schäuble und Co. zu sagen: ihr sprecht nicht in unserm Namen, Schluss mit den Hetzkampagnen gegen die griechische Regierung, respektiert endlich den Mehrheitswillen des griechischen Volkes und seine demokratische Wahlentscheidung!
Solidarität mit den Griechinnen und Griechen – Gemeinsam gegen die unsozialen und undemokratischen Angriffe der neoliberalen Politiker in Deutschland und Europa!

Gisela Kehrer-Bleicher
Für die VVN-BdA Tübingen-Mössingen

Anmerkung: Hingewiesen sei auf den titelgebenden Artikel Krieg gegen Griechenland von Ulrich Gellermann in der Rationalgalerie.