Mehr als 1.200 Menschen demonstrierten in Mössingen

1. Februar 2013

„Politischer Streik hätte Hitler gestürzt und den Krieg verhindert!“ Unter diesem Motto hatten VVN-BdA, DGB, IG Metall, ver.di und GEW zu Demonstration und Kundgebung in Mössingen (Kreis Tübingen) aufgerufen, zahlreiche Parteien und Verbände hatten den Aufruf unterstützt. Mehr als 1.200 Menschen aus nah und fern folgten dem Aufruf.

Es war die größte Demonstration in Mössingens Geschichte seit 30 Jahren und die zweitgrößte überhaupt. Am 31. Januar 1933 waren 800 Männer und Frauen dem Aufruf der KPD gefolgt, auf die Übertragung der Macht im Staate an Hitler mit einen Generalstreik zu reagieren. Und am 50. Jahrestag des Mössinger Generalstreiks, der in Deutschland der einzige war, hatten in Mössingen 15.000 Menschen gegen Faschismus und Krieg demonstriert.

So viele waren es am 2. Februar 2013 zwar nicht; aber an Entschlossenheit fehlte es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der diesjährigen Gedenkdemonstration nicht, neofaschistischen Tendenzen, Rassismus, den Machenschaften des so genannten Verfassungsschutzes, Einschränkungen des Versammlungsrechts und des Grundrechts auf Asyl sowie Kriegseinsätzen der Bundeswehr entgegenzutreten. Durch ihr zahlreiches Kommen würdigten die Demonstrantinnen und Demonstranten die mutige Widerstandstat der Generalstreikler und zeigten, dass deren Anliegen – leider! – immer noch aktuell sind.

Die Demonstration folgte der Route der Demonstration des Generalstreiks von 1933 – allerdings in umgekehrter Richtung. Sie begann am Jakob-Stotz-Platz, benannt nach einem der Organisatoren des Generalstreiks, ungefähr zu der Stunde, als die Generalstreikler 1933 die nahegelegene Firma Merz erreichten und auch dort durchsetzten, dass die Arbeit eingestellt wird.

Für die Veranstalter forderte Jens Rüggeberg von der VVN/BdA Tübingen-Mössingen zweierlei von der Stadt Mössingen: Einerseits, die Otto-Merz-Straße (der Fabrikant hatte am 31.1.1933 die Polizei gerufen und einen Tag später den Generalstreikteilnehmern fristlos gekündigt) nach dem Generalstreikteilnehmer Jakob Textor zu benennen, und andererseits, dass im Mössinger Amtsblatt keine Anzeigen mehr veröffentlicht werden, in denen die Generalstreikteilnehmer diffamiert werden.

Tübingens Altstadtrat Gerhard Bialas, der die meisten Generalstreikteilnehmer noch persönlich gekannt hatte, würdigte deren mutige Widerstandstat und rief zu enschlossenem Handeln gegen Neonazis und braunen Ungeist auf.

Nachdem der bunte Demonstrationszug, angeführt von einer Schalmeienkapelle aus Schwäbisch Hall, die ehemaligen Fabrikgelände von Merz und Pausa passiert hatte, gelangte er an der Langgass-Turnhalle an, von wo 1933 der Demontrationszug seinen Ausgang genommen hatte. Dort eröffnete Andrea Ayen die Hauptkundgebung.

Andrea Ayen, aus einer Familie von Generalstreikteilnehmern stammend, erklärte bewegt, dass der Mössinger Veranstaltungsreigen und die große und beeindruckende Demonstration heute für die Nachfahren der Generalstreikteilnehmer „wie eine Art Wiedergutmachung“ sei, nachdem der Generalstreik in Mössingen über Jahrzehnte totgeschwiegen oder diffamiert worden sei. Zum Abschluss zitierte sie ihren Onkel Eugen Ayen, der 1982 in einem bekannten Film über den Generalstreik dessen Aktualität betont und zur Wachsamkeit gegenüber Neonazis aufgerufen hatte.

Der DGB-Landesvorsitzende Nico Landgraf forderte mit Nachdruck und unter starkem Beifall aller Anwesenden ein rasches Verbot der NPD, der Arbeitsrechtler Professor Wolfgang Däubler sprach über politischen Streik heute und meinte, seine Legalisierung in Deutschland könne wohl kaum vor Gerichten durchgesetzt werden; vielmehr müsse man sich das Recht zum politischen Streik einfach nehmen. Drei junge Mössinger AntifaschistInnen zeigten den Zusammenhang zwischen Faschismus und Kapitalismus auf und riefen dazu auf, am 23. Februar in Pforzheim gegen Neonazis zu demonstrieren.

Zum Abschluss überreichte Moderator Jens Rüggeberg dem Mössinger Museumleiter Hermann Berner, der zwei Tage zuvor in der Kulturscheune eine Ausstellung über den Generalstreik eröffnet hatte, ein Transparent der VVN/BdA aus dem Jahre 1983, gemalt für die Gedenkdemonstration zum 50. Jahrestag des Mössinger Generalstreiks. Eine Schenkung für das Mössinger Museum – mit der Auflage allerdings, dass das Transparent zu runden Jahrestagen, etwa dem 90. oder dem 100. Jahrestag des Generalstreiks, wieder auf Demontrationen mitgeführt werden dürfe. Freudig und dankend nahm Berner die Schenkung an.