OB Palmers Beitrag zum „Weltdenkmaltag“ 18. April: Abrissgenehmigung für Kulturdenkmal Güterbahnhof – am Vorabend des 70. Jahrestags der Befreiung Tübingens
23. April 2015
Erklärung der VVN-BdA Baden-Württemberg zum Abriss des Kulturdenkmals Güterbahnhof in Tübingen, 16.04.2015
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer [Bündnis 90/DIE GRÜNEN] hat den Abriss eines Teils des ehemaligen Tübinger Güterbahnhofs genehmigen lassen. Die Abrissarbeiten sind im Gange. Bisher gilt das Ensemble als geschütztes Denkmal.
„Vor allem aber wegen des erhaltenen Beobachtungsstands, der an die russischen Kriegsgefangenen während des Zweiten Weltkriegs in Tübingen erinnert, ist es ein Kulturdenkmal“, heißt es in der Denkmalverfügung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 22.10.2010. An seiner Erhaltung bestehe „wegen seines exemplarischen und dokumentarischen Wertes ein öffentliches Interesse.“
Mit Unverständnis reagierte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Baden-Württemberg daher auf OB Palmers Entscheidung. Sie hatte sich mit einer Eingabe an den Petitionsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg gewandt. „Der Ausschuss versteht sich nach eigenen Worten als ‚Notrufsäule‘ für die Bürgerinnen und Bürger“, erklärte Lothar Letsche, Geschäftsführendes Landesvorstandsmitglied der VVN-BdA und Verfasser der Petition. „Man teilte uns mit, es gebe ein sogenanntes Stillhalteabkommen: Behördenmaßnahmen werden ausgesetzt, bis der Petitionsausschuss die Eingabe geprüft und bearbeitet hat. Trotzdem wird hier der Weg gewählt, zuerst unumkehrbare Fakten zu schaffen. Auf keinen Fall soll das geschützte Denkmal ein geschütztes Denkmal bleiben. Der Grundstückseigentümer ist aurelis, dessen Investoren das Bahngelände zugeschoben wurde. Die könnten auf dem Gelände andere leere Gebäude abreißen und andere Arbeiten durchführen, um mit der Erschließung zu beginnen. Genau mit dem Teilabriss des Güterbahnhofs fängt man an, genau jetzt. Die Denkmaleigenschaft war den ‚Investoren‘ von Anfang an ein Dorn im Auge. Leider spielt die Tübinger Stadtverwaltung mit. In ihrer Eigenschaft als untere Denkmalbehörde hat sie die Genehmigung erteilt.“
OB Palmer habe das bestätigt und stelle es so hin, als hänge der Bau von 570 Wohnungen von dem sofortigen Teilabriss ab. Die VVN-BdA bezweifelt einen solchen Sachzwang. „Es gibt seit dem 25. März einen allgemeinen Bebauungsplan. Keinen Plan für ein einziges Haus und eine einzige Wohnung. Die Unterlagen behandeln seitenlang den Schutz des Einzelhandels und geschützter Tier- und Pflanzenarten. Nirgendwo wird behauptet, dass sich hier jemals Fledermäuse eingenistet hätten. Die sollen nun als Argument für den sofortigen Teilabriss herhalten. Die Denkmalbegründung der oberen Denkmalbehörde ist von der Stadtverwaltung weder dem Gemeinderat noch den Bürgern jemals im Wortlaut zur Kenntnis gebracht worden.“
Die politische Instinktlosigkeit bestehe darin, kurz vor dem „Weltdenkmaltag“ 18. April, kurz vor dem 70. Jahrestag der Befreiung Tübingens am 19. April eine solche „Entdenkmalisierung“ durchzuführen. „Passender wäre gewesen, das intakte Denkmal Güterbahnhof in das Gedenken zum 70. Jahrestag der Befreiung Deutschlands einzubeziehen. Genau das war wohl nicht gewollt.“