Rechtspopulismus und Rassismus im Kontext der Fluchtbewegung

13. Dezember 2017

Über die gemeinsame Veranstaltung der VVN-BdA Tübingen-Mössingen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Club Voltaire am 5.12.2018 erschien im Schwäbischen Tagblatt vom 8.12.2017 folgender Bericht:

 

Politische Orientierung Studie mit 176 Auszubildenden auf der Alb: Der Rechtspopulismus
nistet sich ziemlich erfolgreich in den Köpfen ein. Von Wolfgang Albers

Das hat sich schon nach Hardcore-Stammtisch angehört, was Josef Held so gesagt bekam. Dass die Flüchtlinge alles hinten reingeschoben
bekämen. Dass man stolz sei, Deutscher zu sein. Dass Kinder Gehorsam und Achtung gegenüber Autoritäten lernen sollen. Aber Josef Held war nicht
bei den 50-Plus-Bruddlern unterwegs und auch nicht bei der AfD. Es waren Jugendliche, die ihm diese Ansichten diktiert hatten.

Prof. Josef Held ist Erziehungswissenschaftler an der Universität Tübingen und leitet die Forschungsgruppe für Migration. Diese hat im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung die politische Orientierung von Jugendlichen untersucht. Was dabei herausgekommen ist, berichteten er und sein Team am Dienstagabend im Club Voltaire.

Die Forscher sind auf die Zollernalb gefahren, zu 176 Auszubildenden, sowohl zu denen, die körperlich arbeiten, wie zu denen im Büro. Ziel war es nicht, Rechtsextreme zu suchen und mit einer – möglichst schockierenden – Zahl zurückzukommen. Interessiert hat die Tübinger vielmehr, wie die Jugendlichen auf das Angebot des Rechtspopulismus, das ja zur Zeit reichlich vorhanden ist, reagieren.
Und das Angebot hat sich auch geändert: Ging früher der Rechtsextremismus mit einem geschlossenen Weltbild zum Stimmenfang auf die Dörfer, so gebe sich der Rechtspopulismus politisch offener. Dies ist die Beobachtung von Held, der schon seit Jahrzehnten das rechte Spektrum erforscht: „Der Rechtspopulismus greift Stimmungen auf und bezieht sich auf den Zeitgeist. Und er greift ein politisches Entfremdungsgefühl auf, für das die Zuwanderung ein Symbol ist.“

Und damit ist der Rechtspopulismus sehr erfolgreich: „Auch, weil er eine klarere Lösung als die Linke hat. Er betont das Wir und das Volk. “ Tatsächlich ist rechtspopulistisches Denken auch tief in die Köpfe der Untersuchten eingeflossen. Was jetzt auf den ersten Blick nicht so überrascht – gilt die auch politisch raue Alb doch nicht gerade als linksliberale Kaderschmiede.

Überraschend aber ist: Fragt man die Jugendlichen, dann ordnen die sich politisch ganz in der Mitte ein. Ihre Eltern bezeichnen sie sogar als links. Und Rechte sehen sie auch: Das ist ihr Umfeld. Nur sie seien stabil in der Mitte. Für die Tübinger ist das aber eher eine, wie sie das nennen, Mitte-Performance.

Es ist die Abscheu, sich auf Flügeln zu positionieren, es ist der Wunsch nach harmonischer Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Für klassische politische Diskussionen sind diese Jugendlichen nicht zu haben. Und die AfD wird deshalb fast immer abgelehnt. Ein Zitat: „Ja, die sind Nullchecker, und die, die sie gewählt haben, sind auch Nullchecker. Irgendwelche As… äh, arbeitlose Vollidioten, weil man die NPD halt nicht mehr wählen kann.“

Der Punkt Rassismus scheint dem zu entsprechen. Nur 16 Prozent zeigen eine einschlägige Orientierung. Bei den anderen hat Held beobachtet: „Sobald sie merken, dass es in Richtung Rassismus gehen könnte, schauen sie, dass sie nicht in diese Falle tappen.“ Allerdings hat Held verdeckte
rassistische Tendenzen ausgemacht: „41 Prozent lehnen den Islam in Deutschland ab.“

Diese Doppelbödigkeit macht er auch bei der Haltung gegenüber Flüchtlingen aus. Die Jugendlichen haben nichts gegen Flüchtlinge – sofern sie vor Krieg geflohen sind. Was sie ablehnen, sind Wirtschaftsflüchtlinge. Nur: „Wenn man genau hinguckt, sehen die Jugendlichen fast nur Wirtschaftsflüchtlinge.“

Hoch sind die Werte für nationalistische Orientierung und autoritäre Orientierung – 84 und 83 Prozent. Was eben heißt: Im Gegensatz zu ihrer Selbsteinschätzung sind die Jugendlichen schon ziemlich nach rechts abgedriftet. Übrigens unabhängig von sozialer Lage, Bildung, Geschlecht. Auch hier zeigt sich der Trend zum Konsens. Der dann auch die Übernahme rechtspopulistischer Ansichten erleichtert: „Man will das sagen, was alle sagen – weil der Rechtspopulismus schon angekommen ist bei den Leuten.“
Was tun? Nicht den Moralischen spielen, rät Held. Eine beliebte Strategie in der Politstrategie, nütze aber gar nichts. Ein Hinweis gibt eine Paralleluntersuchung bei Gewerkschaftsjugendlichen. Die waren viel immuner gegen rechtspopulistische Übernahmen. Organisiertes Engagement helfe und könne zur Umorientierung beitragen, sagen die Forscher. Und: Bildungsangebote auch außerhalb der Schule sollten verstärkt gefördert
werden.

Was aber auf jeden Fall hilft: Erfahrungen mit Fremden machen, statt Gerüchte über sie zu hören. Am gelassensten waren Jugendliche, die Fremde zum Beispiel vom Kicken kannten. Was die Forscher ein Loblied auf die traditionelle Vereinskultur anstimmen ließ: „Die Arbeit von Fußballvereinen ist daher von unschätzbarem Wert.“

StudieRechtspopulismus8.12.2017

Die Studie ist bei der VVN-BdA Tübingen erhältlich oder kann über die Rosa-Luxemburg-Stiftung

bawue@rosalux.de

http://www.rls-bw.de

angefordert werden