Kundgebung der Tübinger Friedensbewegung „Gegen die Münchner Sicherheitskonferenz und das Säbelrasseln gegen Russland“ am 19.2.22
19. Februar 2022
Redebeitrag derVVN-BdA Tübingen-Mössingen
Anders als Außenministerin Baerbock sind wir nicht bereit „als Deutschland einen hohen Preis zu zahlen“ für die Zuspitzung der Konfrontation. So wie ¾ der deutschen Bevölkerung treten wir für eine friedliche Lösung, für Deeskalation und Verhandlungen ein und lehnen Waffenlieferungen an die Ukraine ab.
Mit aggressiver Kriegspropaganda wird der Druck verstärkt, Angst vor Russland geschürt. Jede Kritik an Aufrüstung und militärischem Säbelrasseln soll verhindert und Zustimmung zum NATO-Kriegskurs hergestellt werden. Die letzten verbliebenen Friedenskräfte bei den Grünen und in der SPD sollen zum Schweigen gebracht werden.
Hysterische Fakenews werden in die Welt gesetzt: „ der Angriff der russischen Armee wird am Mittwoch erfolgen“ und historische Tatsachen nach Belieben geleugnet und verdreht. Ein besonders drastisches Beispiel lieferte unsere CDU-Bundestagsabgeordnete Widmann-Mauz, die am 28.1. im „Tagblatt“ schrieb, dass sich „derzeit mehr als 100 000 russische Soldatinnen und Soldaten an der ukrainischen Grenze aufhalten. Solche Truppenverlegungen Russlands in Richtung Europa gab es zuletzt 1941“. Ist es nur Geschichtsvergessenheit, wenn sie die aktuelle Situation ausgerechnet mit 1941 vergleicht? Damals überfiel die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion und überzog das Land mit einem barbarischen Angriffskrieg; am Ende mussten fast 30 Millionen Tote beklagt werden.
Heute geht es angeblich um wertebasierte Außenpolitik, der demokratische Westen gegen die russische Diktatur im Osten. Doch wofür riskiert die NATO einen Krieg mit Russland? Welche Werte werden in der Ukraine verteidigt?
Amnesty International kritisierte wiederholt, dass in der Ukraine nach wie vor zahlreiche Menschenrechte ausgesetzt sind: Oppositionelle Journalisten und Politiker werden verfolgt, Kriegsdienstverweigerer müssen ins Ausland fliehen, die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, es gibt kein Recht auf faire Gerichtsverfahren, Gefangene werden eingeschüchtert und gefoltert.
Der Staat ist wirtschaftlich bankrott, völlig von westlichen Geldgebern abhängig und neoliberalen Auflagen unterworfen. Mit der Folge einer wachsenden Verarmung großer Teile der Bevölkerung , während eine kleine Minderheit von Oligarchen sich hemmungslos bereichert und das Land mit einem System der Korruption überzogen hat. Sämtliche Präsidenten wurden von Oligarchen unterstützt und ins Amt gebracht. Die Südwestpresse zitierte am 16.2. Ukrainer, die beklagen, dass es aktuell unter Selenski sogar noch schlimmer wurde, dass 40% der staatlichen Gelder für Investitionsprogramme veruntreut werden. Schon oft wurden nationalistische Konflikte geschürt, um von sozialen Spannungen abzulenken.
Die Militarisierung der ukrainischen Gesellschaft wird in den letzten Wochen gerade massiv vorangetrieben. Nicht nur das Militär wird ausgebaut und aufgerüstet, auch die Zivilbevölkerung wird in unglaublichem Maß mobilisiert. Verstörend sind die Bilder von mit Gewehren bewaffneten Zivilistinnen und Zivilisten, die militärisch ausgebildet werden.
Der ukrainische Journalist, Regimekritiker (und politischer Gefangener) Vasily Muravitsky hat vor wenigen Tagen darüber informiert, welche Kräfte hinter dieser Militarisierung stehen: Während des Maidans und in den Jahren seit 2014 haben sich die prowestlichen Kräfte und alle ukrainischen Regierungen auf faschistische Milizen wie den „Rechten Sektor“ und die Neonazi-Partei Swoboda gestützt. Wir erinnern uns mit Entsetzen an den terroristischen Überfall auf Gewerkschafter und andere Demokraten. Mindestens 40 Menschen – die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt – wurden bei dem Brandanschlag auf das Gewerkschaftshaus in Odessa getötet. Mehr als 80 Milizen wurden in den folgenden Jahren aufgebaut. Westliche Gelder fließen in ihre Ausbildung und Bewaffnung. Der berüchtigte Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera , der mit der deutschen Wehrmacht kollaboriert und die Verfolgung und Ermordung von ukrainischen Juden unterstützt hat, wird heute öffentlich als nationaler Held geehrt.
Berüchtigt ist das Asow-Regiment, dessen Gründer Biletsky sich zum „Kreuzzug der weißen Nationen gegen die semitisch geführten Untermenschen“ bekannte und die SS-Symbole Wolfangel und Schwarze Sonne verwendet.
Heute ist das Asow-Regiment eine Miliz mit einem riesigen Waffenlager. Asow hat eigene Verlage und die Partei Nationalkorps aufgebaut. Diese Partei unterhält intensive Beziehungen zu faschistischen und rechten Organisationen in der ganzen Welt, in Deutschland gibt es Verbindungen zur Partei die Rechte, zum III.Weg und zu den Identitäten.
Neben der Armee wurde eine Nationalgarde aufgebaut, Asow und andere Milizen integriert. Sie bekamen offiziellen Status und staatliche Finanzierung und konnten großen Einfluss auf die ukrainische Gesellschaft gewinnen, wurden zu einer Bürgerkriegsarmee im Innern. Angehörige von Milizen terrorisieren politische Gegner und halten den Krieg gegen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine in Gang. Die üppige staatliche Förderung der Milizen hat die Ukraine zu einem Zentrum für die militärische Ausbildung rechter Gruppierungen in Europa gemacht. Die amerikanischen Zeitschrift „Time“ berichtete über 17 000 ausländische Nationalisten und Rechtsextreme, die in den vergangenen Jahren militärisch ausgebildet wurden.
Im letzten Jahr wurde ein „Gesetz über die Grundlagen des nationalen Widerstands“ und zur territorialen Verteidigung beschlossen. Ziel ist die Aufstellung einer internen Truppe mit der Ausbildung zum Guerillakrieg. Im ganzen Land sollen Einheiten aufgebaut werden und im Einsatz sein. Zusätzlich zum regulären Militär werden rund 130 000 Freiwillige Zivilisten ausgebildet. In der Südwestpresse wurden Fotos von diesen Freiwilligen veröffentlicht, aber nicht, wer diese ausbildet. Der „Fokus“ schrieb erstmals am 17.2. genaueres: Neonazis des rechtsextremen Asow-Regiment trainieren schießfreudige Omas des Babuschka Bataillons!
Alle Freiwilligen sollen Waffen bekommen oder können ihre eigenen Jagdgewehre mitbringen, die Legitimierung des Waffengebrauchs kann laut Gesetz sehr weit ausgelegt werden: „zur Selbstverteidigung dürfen sie jeden töten, der eine Gefahr für die Territorialverteidigung darstellen könnte“. Damit wächst die Gefahr, dass die Aufstellung solcher Bataillone den militärischen Konflikt weiter verschärft und zu einer Militarisierung im Innern führt. Der Konflikt kann nur gelöst werden, wenn die auch die Militarisierung der ukrainischen Gesellschaft gestoppt wird. Deshalb:
Keine weitere Unterstützung von Kräften, die mit aggressivem Nationalismus und Revanchismus die Spannungen an heizen!
Keine Finanzierung von rechten undneonazistischen Milizen in der Ukraine!
Deeskalation und Entmilitarisierung der Zivilgesellschaft!
Stopp der Waffenlieferungen aus dem Westen. Keine deutsche Waffenlieferungen, egal welcher Art und wie sie auch genannt werden!
Gisela Kehrer-Bleicher, VVN-BdA Tübingen-Mössingen