Kundgebung NATO-Gipfel 24.6.2025
24. Juni 2025
Redebeitrag für die VVN-BdA und das Friedensplenum Tübingen
Zu viele in unserm Land haben sich schon daran gewöhnt, dass nicht nur die Bundeswehr, sondern auch das ganze Volk kriegstüchtig werden soll. Wo Kriegsfähigkeit gewollt und Kampfkraft schnellstmöglich erreicht werden soll – so der Chef des Bundeswehrverbands Wüstner – muss das Denken aller militarisiert werden. Deshalb sehen wir uns seit längerem einer unglaublichen Verrohung der Sprache ausgesetzt.
Es begann mit Frau Baerbock, die Russland ruinieren wollte. Heute redet Kanzler Merz im Stil von Mafiabossen mit brutaler Offenheit davon, dass „Israel die Drecksarbeit für uns erledigt“. Mit der Nazi-Losung „Kanonen statt Butter“ und dem von Goebbels entliehenen Begriff der Kriegstüchtigkeit sollen wir Sozialabbau und brutale Kürzungspolitik hinnehmen.
Medien geben der militarisierten Sprache Raum, Politiker*innen und Journalist*innen verstärken sich gegenseitig. Behauptungen werden unhinterfragt wiederholt, Fakten ignoriert. Wir erleben dies bei den ständig wiederholten Behauptungen des bevorstehenden Angriffs Russlands auf EU-Staaten und ganz aktuell bei dem Angriffskrieg von Israel und den USA auf den Iran.
Eine vermeintliche Bedrohungslage wird herbeigeredet und geschrieben, irrationale Ängste vor den Bösen, wechselweise Putin, Komeini etc. werden verstärkt. Die verunsicherte Bevölkerung soll dazu gebracht werden die gigantische Aufrüstung, die Militarisierung im Innern mit samt der geplanten Wiedereinführung der Wehrpflicht hinzunehmen und sich dem Kriegskurs der Herrschenden willig unterzuordnen.
Kritiker*innen bleiben sprachlos zurück angesichts der bisher nicht für möglich gehaltenen Eskalation und des Kriegsgeschreis. Unsere vorrangigste Aufgabe als Friedenskräfte ist heute: wir dürfen uns nicht an die Kriegssprache und das militarisierte Denken gewöhnen und in Passivität verfallen. Wir müssen laut bleiben, die Lügen und Kriegshetze aufdecken!
Wir müssen aufzeigen, was die 5% des Bruttoinlandprodukts für Aufrüstung und Militär konkret bedeuten. Der emeritierte Professor der Bundeswehrhochschule, Pradetto bringt es auf den Punkt: „Europa militarisiert und destabilisiert seine Zukunft, denn noch bevor solche Zielmarken überhaupt erreicht würden, wäre die politische und soziale Stabilität in Europa massiv gefährdet.“ Man fragt sich, ob diese Überlegungen nicht auch hinter der massiven Forderung der USA an die NATO-Mitglieder stehen?
Zielt dies nicht auch auf die Schwächung der wirtschaftlichen Stärke der Konkurrenz in der EU, um die uneingeschränkte Vorherrschaft der USA abzusichern?
5% bedeuten für Deutschland Ausgaben für Rüstung, Kriege und Militär von rund 220 Milliarden jährlich, das sind 45% des heutigen Haushalts. Das muss an anderer Stelle massiv eingespart werden. Der Umbau zur Kriegswirtschaft geht zwangsläufig mit einem sozialen Krieg gegen die Bevölkerung einher, weil alle staatlichen Ressourcen der Kriegsfähigkeit untergeordnet werden.
Die Kommunen, die die Last der sozialen Daseinsfürsorge tragen, kämpfen schon jetzt gegen unterfinanzierte Haushalte. In Tübingen begann das Jahr mit der Nachricht, dass 25 Mill. Eingespart werden müssen – mit einem einzigen Panzer weniger, wäre der Haushalt vollständig saniert , die kosten nämlich 27 Mill das Stück. Seit Jahresbeginn erleben wir Kürzungen im Busverkehr, bei Schulsozialarbeit, Beratungsstellen, Zimmertheater, Privatisierung der Müllabfuhr, steigenden Gebühren für Kinderbetreuung. Ein Ende ist nicht abzusehen, höhere Grundsteuern werden die Mieter belasten, weitere Kürzungen im Busverkehr sind für Herbst eingeplant.
Mit dem Sondervermögen wurde die Schuldenbremse aufgehoben. Die Bundesregierung kann nun neue Schulden machen. Was heißt das für zukünftige Haushalte? Schulden müssen zurückgezahlt, mehr und höhere Kredite aufgebracht werden. Der nächsten Generation werden immense finanzielle Lasten aufgebürdet. Im gestern vorgelegten Haushaltsentwurf stecken neben Steuergeschenken für die Reichen und Kürzungen beim Bürgergeld bereits neue Schulden in Höhe von 81 Mrd.
Aber was ist mit dem groß angekündigten zusätzlichen Sondervermögen für die Infrastruktur in den Kommunen“? Der Betrag gilt für 12 Jahre, das macht gerade mal 8,3 Mrd. pro Jahr, für alle Bundesländer und Kommunen! Und es muss nicht unbedingt zivil sein. Für Panzerfahrten notwendige Autobahnbrücken und Militärflughäfen werden kriegstüchtig gemacht, Krankenhäuser für verwundete Soldaten erweitert werden, die soziale und öffentliche Infrastruktur wird weiter vor sich hin rotten. In Tübingen wird die Alleenbrücke dauerhaft für Feuerwehr und Müllfahrzeuge gesperrt bleiben, Schulmensa im Feuerhägle und neues Schwimmbad bleiben Utopie.
Deshalb müssen wir gemeinsam für den Erhalt des Sozialstaats, gegen Kürzungspolitik, Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen kämpfen – nur Abrüstung schafft soziale Sicherheit und macht die notwendigen Mittel frei zur Verhinderung des Klimakollaps und für weltweite Klimagerechtigkeit!
Gegen Kriegstreiberei und Kriegsprofiteure hilft nur Widerstand im ganzen Land!
Gisela Kehrer-Bleicher