Gegen Präventivhaft – Klimaschutz ist kein Verbrechen

4. Dezember 2022

Redebeitrag zur Kundgebung am 4.12.2022

Gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig an die Geschichte und die antifaschistischen Traditionen zu erinnern.

Nach 1945 gründeten ehemalige politisch Verfolgte und Überlebende der Konzentrationslager zunächst örtliche Antifa-Ausschüsse und schließlich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.  Als antifaschistischer Verband arbeitete sie im Sinne und im Vermächtnis des Schwurs von Buchenwald, an der Beseitigung aller Wurzeln des Faschismus.

Im Zuge der Restauration in der Bundesrepublik, in der Nazis nahtlos wieder in Funktionen und an die politischen Schalthebel kamen, wurde die VVN als antifaschistische Organisation von Beginn  angegriffen. Besonders ihre aktive und organisierende Rolle im Widerstand gegen die Remilitarisierung ab 1951 nahm die Adenauer-Regierung zum Anlass gegen den Verband vorzugehen. Die Volksbefragung gegen die Remilitarisierung wurde verboten, für die sich mehr als eine Million Menschen mit ihrer Unterschrift eingesetzt hatten. Daraufhin wurde ein  Beschluss zur Verfassungstreue im ÖD erlassen und ein Verbotsantrag gegen die VVN gestellt, der zunächst abgewehrt werden konnte. 1956,  gleich nach dem KPD-Verbot,  wurde ein weiterer Verbotsantrag gestellt. Dieser konnte nur deshalb zurückgewiesen werden, weil der VVN-Vertreter bei der Verhandlung vorm Bundesverwaltungsgericht die Nazi-Vergangenheit des Richters aufdeckte. Viele Mitglieder der VVN wurden im Kalten Krieg kriminalisiert, waren Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt.

Nahezu ohne Unterbrechung wurde die VVN vom Verfassungsschutz überwacht, Höhepunkte waren zur Zeit der Berufsverbotepraxis in den 70er und 80er Jahren und erst vor zwei Jahren der Versuch unserem Verband mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit die finanziellen Grundlagen zu nehmen. Dank der großen Solidarität tausender Menschen und vieler verbündeter Gruppen konnte auch dieser Versuch erfolgreich abgewehrt werden.

Aus den Erfahrungen unserer Geschichte haben wir gelernt, wie wichtig es ist, frühzeitig gegen alle autoritären und rechten Entwicklungen in der Mitte der Gesellschaft und staatliche Repression aktiv zu werden. Wehret den Anfängen heißt für uns heute:

  • Die Neuauflage der Berufsverbote, wie sie in Brandenburg geplant sind, muss  verhindert werden.
  • Rechte Netzwerke und der Verstrickung des VS müssen aufgedeckt werden , gegen die Verschärfung der Polizeigesetze und der polizeilichen Befugnisse, gegen die  Einschränkungen der Grundrechte müssen wir gemeinsam breiten Widerstand organisieren.
  • Die VVN-BdA ist deshalb soldiarisch mit den Klimaaktivisten, die in Bayern in Haft waren. Mit dem Gesetz zum präventiven Gewahrsam wird eine Grundlage geschaffen, mit dem in Zukunft auch andere aktive Menschen der antifaschistischen und Friedensbewegung, bei Verschärfung von sozialen Kämpfen aber auch z.B. Gewerkschafter verfolgt werden können. Das Einsperren von Menschen, um Proteste zu verhindern, ohne konkrete Straftat und ohne Verurteilung, hielten wir in einem demokratischen Rechtsstaat bisher nicht für möglich!

In diesem Zusammenhang ist es uns auch wichtig auf den zunehmenden Geschichtsrevisionismus hin zu weisen, der erst den Rahmen für weitere staatliche Repression schafft:

  • Die vielfachen Versuche zur Neubelebung der Totalitarismus-Theorie, die EU-Resolution zur Gleichsetzung von Hitler-Deutschland und der SU, Relativierungen der Kriegsschuld und der faschistischen Verbrechen, die Absage von Gedenkfeiern zum 8.Mai in diesem Jahr und die Zerstörung von antifaschistischen und jüdischen Gedenkorten. Dazu zählt auch die von Bundestag und Bundesrat im Schnellverfahren und ohne Information und Diskussion in der Öffentlichkeit beschlossene Erweiterung des § 130 zur Volksverhetzung. Mit der nun beschlossenen Ausweitung der Straftatbestände zur Volksverhetzung wird die Sonderstellung des Holocaust relativiert und trivialisiert.

Weil wir nach wie vor die Wurzeln für rechte Entwicklungen und Politik auch darin sehen, dass Aufrüstung, Kriege, Nationalismus und Rassismus sich gegenseitig bedingen und fördern gilt für uns das Vermächtnis der Überlebenden von Buchenwald: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Gisela Kehrer-Bleicher für die VVN-BdA Kreisverband Tübingen-Mössingen